Vor einigen Wochen hatte ich das Vergnügen, zu Gast beim Podcast-Blog Papiergeflüster von Simone Dalbert zu sein und dort über die Erstellung von eBooks und über die Möglichkeiten und Grenzen von enhanced eBooks zu berichten. Anlässlich dieses Gesprächs und für meinen Beitrag bei der Electric Book Fair am 21.06. in Berlin habe ich einmal wieder ausführlich über den aktuellen Stand von EPUB3 in Markt und Technik recherchiert. Ganz aktuell gibt es insbesondere interessante Neuigkeiten für die Erstellung von EPUB3-Inhalten:
eBook-Marktplätze, Reader-Apps und ihre EPUB3-Unterstützung
Betrachtet man die Unterstützung der gängigen eReader für EPUB3, die mittlerweile über die Testergebnisse bei epubtest.org übersichtlich erschlossen sind, bietet sich ein Bild des Jammers: Selbst die momentan besten Reader bieten nur eine etwa 2/3-Abdeckung der zentralen EPUB3-Features, zudem hat sich das Bild bei den großen Anbietern gegenüber dem Stand vor einem Jahr kaum geändert. Weder Apple, noch Amazon und Google haben nennenswerte Verbesserungen für EPUB3 in ihren Ökosystemen realisiert und blockieren damit faktisch sehr effektiv die weitere Verbreitung von enhanced eBooks.
Zwar sind mittlerweile einige kleinere App-Anbieter wie Gitden oder Access mit EPUB3-fähigen Mobile-Apps auf den Markt gekommen, und auch die länger schon bekannte Firma txtr aus Deutschland überraschte jüngst mit einem EPUB3-Reader für iOS auf Basis des Readium SDK – aber solange sich die Unterstützung durch die großen eBook-Marktplätze nicht grundlegend ändert, werden dies wohl Randerscheinungen im Markt bleiben. Zu sehr sind die eBook-Kunden mittlerweile die nahtlose Integration von Ökosystem, eBook-Shop und Lese-Applikation gewohnt, als das kleine Anbieter ohne direkte Shop-Anbindung in diesem Bereich noch nennenswerte Chancen hätten.
Neue Werkzeuge braucht das Land
Ganz im Gegensatz zur Situation bei den Readern und Lese-Apps hat sich im Bereich der Werkzeuge für die Erstellung und Bearbeitung von EPUB3-Dateien erstaunlich viel getan:
Schon für InDesign in der Version für Creative Suite 6 hat Adobe eine der leistungsfähigsten EPUB-Exportfunktionen integriert, die momentan in DTP-Anwendungen verfügbar ist. Und auch für EPUB3 leistet das Werkzeug mittlerweile sehr gute Dienste. In der gerade aktuell präsentierten Version von InDesign für die Creative Cloud 2014 hat sich jedoch etwas entscheidendes getan: InDesign bekommt eine Export-Option für Fixed-Layout-EPUB spendiert. Mit ein paar verhältnismäßig einfachen Vorbereitungsschritten lässt sich also nun auch pixelgenaues Layout für diese EPUB-Variante mit den Adobe-Tools erzeugen, wenn dies für den Vertrieb gewünscht ist. Wer sich hier detaillierter einlesen will, findet bei epubsecrets.com eine ausführlichen Test der Features, sowie auf der Adobe-Hilfe-Seite zu InDesign CC ein Erklärungs-Video sowie ein Beispielprojekt.
Ebenfalls mit der Fixed-Layout-Variante von EPUB3 beschäftigen sich zwei weitere neue Werkzeuge: Während PubCoder als Editor ähnlich einer Art „Powerpoint für EPUB3“ ausgelegt ist und seinen Schwerpunkt vor allem im Bereich Sachbuch und Fachinformation sucht, spezialisiert sich TigerCreate auf den Bereich illustrierter und animierter Kinderbücher. Für die dort gängigen Anforderungen wie layoutgetreuer Umsetzung von bildlastiger Seitengestaltung und komplexer Text/Bild-Positionierung, Erstellung von Vorlese-Funktionen mit Text-Markierung oder aufwändigen Animationen steht mit TigerCreate ein Autorenwerkzeug zur Verfügung, das die dazu notwendigen Prozesse direkt unterstützt und für diese Art von Inhalten einen enormen Produktivitätsschub bewirken dürfte.
Mit ViewPorter vom US-Softwareanbieter OrangeDigit dagegen ist jüngst ein universell einsetzbarer EPUB-Editor auf den Markt gekommen, der sich in weiten Teilen an der Funktionsweise des leider mittlerweile nicht mehr weiterentwickelten Klassikers Sigil orientiert. Der Editor bietet sowohl Code-Ansicht als auch WYSISYG-Ansicht zum Arbeiten in den EPUB-Daten, ist im aktuellen Zustand zwar noch nicht so ausführlich mit Komfort-Funktionen ausgestattet wie Sigil, hat aber durchaus das Potenzial, sich zu einem ernstzunehmenden Nachfolger zu entwickeln. ViewPorter ist kostenlos verfügbar und kann (neben EPUB2) EPUB3-Dateien in der Reflow- und der Fixed-Layout-Variante erstellen und bearbeiten. Wer einen Nachfolger für seinen Sigil-Arbeitsplatz sucht, sollte bei ViewPorter einmal einen Test wagen.
Neben den Editoren und Konvertern zur Erstellung von EPUB3-Dateien sind an dieser Stelle noch zwei sehr nützliche neue Tools zu erwähnen:
- Vom eBook-Dienstleister GlowBooks aus Großbritannien kommt 3Pub Assist, ein Migrationstool, das automatisch EPUB2- in EPUB3-Dateien konvertieren kann.
- Die eBook Architects aus den USA haben neben dem altbekannten epubcheck-Tool mit FlightDeck ein neues Qualitätssicherungs-Werkzeug veröffentlicht, das momentan in Beta-Test-Phase zur Verfügung steht. Neben der selbstverständlichen formalen Validierung von EPUB3 stehen bei FlightDeck vor allem die vielen proprietären Anforderungen der eBook-Marktplätze im Vordergrund, die durch spezialisierte Prüfroutinen abgefangen werden.
Und was tut sich beim IDPF?
Außer der Unterstützung des Readium-Projektes im Hintergrund arbeitet das IDPF in diversen Arbeitsgruppen an neuen Teil-Spezifikationen für die Erweiterung und Ergänzung von EPUB3:
Neben den bereits vorliegenden Entwürfen für die Abbildung von komplexen, adaptiven Layouts, Stichwort-Verzeichnissen, Wörterbüchern und Annotationen in EPUB3 ist hier vor allem EDUPUB zu erwähnen – ein „Profil“ für den Einsatz von EPUB3, das speziell für Lehrbücher und andere didaktische Inhalte zugeschnitten ist. Eine detaillierte Einführung in EDUPUB findet sich bei Matt Garish, einem der Autoren des EPUB3-Standards.
So lobenswert die Arbeit des IDPF an der Weiterentwicklung des Standards jedoch ist – letztlich muss man sich momentan vor allem fragen, wie sinnvoll die Beschäftigung mit diesen Erweiterungen ist, solange noch nicht einmal die zentralen Features von EPUB3 halbwegs verlässlich in den gängigen Readern und eBook-Ökosystemen genutzt werden können. Das IDPF droht hier in dieselbe Falle zu laufen wie das W3C im Bereich Webstandards und in großen Mengen Spezifikationen zu produzieren, die mit der Realität in Markt und Technik wenig zu tun haben.
Denn für die Verbreitung von EPUB3 wird vor allem zentral sein, wann Content-Anbieter endlich mit Standard-konformen Reader-Apps rechnen können. Es bleibt zu hoffen, dass sich 2014 nach dem Schub bei den Autorenwerkzeugen auch auf der Seite der Lesesysteme entscheidendes tut.
Sie wollen mehr wissen?
Neben dem bereits erwähnten Podcast zu eBook-Produktion und enhanced eBooks sowie der Table-Session auf der Electric Book Fair haben Sie Anfang Juli die Möglichkeit, bei meinem Seminar „Crashkurs EPUB3 – E-Books mit HTML5“ in der Buchakademie einen tieferen Einblick über die Einsatzmöglichkeiten von EPUB3 für enhanced eBooks zu erhalten.
Pingback: Mobile Publishing: Update Juni 2014 | smart digits
Pingback: Adobe und EPUB: Licht und Schatten in der Welt der eBook-Tools | digital publishing competence
Pingback: EPUB 3.1 ist in der Pipeline: Was heißt das in der Praxis? | digital publishing competence