Play Books vs. Kindle: die iOS-Apps von Google und Amazon im Vergleich

Nachdem Google im Juni in Deutschland mit seinem eBook-Shop unter Google Play online gegangen ist, hat mit der Play Books App die Kindle-App auf iPhone und iPad neue Konkurrenz bekommen. Unter iOS sind sich die beiden Plattformen in ihren mobilen Versionen verblüffend ähnlich und rücken  ein ganzes Stück an Apple’s iBooks-App heran, die lange Zeit den Standard für eBook-Reader unter iOS gesetzt hatte.

Einkauf und Bibliotheks-Verwaltung

Der Einkauf von Titeln erfolgt bei beiden Anwendungen nicht direkt innerhalb der App: Bei Amazon besorgt man sich den Lesestoff entweder über den Amazon-Online-Shop, oder über einen „Hardware-Kindle“, bei Google über den Shop innerhalb von Google Play, der in die Startseite der Suchmaschine eingebettet ist. In beiden Fällen erfolgt die Speicherung der Inhalte in einem Cloudspace, der mit dem Nutzer-Account verknüpft ist, die Anwendungen replizieren die Inhalte dann jeweils lokal. Der Clou bei Google Play: die gekauften eBooks können dann auch direkt innerhalb des Browsers gelesen werden, denn der Reader ist hier auch als HTML5-Anwendung in die Shop- und Account-Oberfläche integriert (testbar über die Vorschau-Funktion der Weboberfläche).

Der Google Play eBook-Shop

Beide Anwendungen begrüßen den Nutzer mit einer aufgeräumten Bibliotheksansicht, in der sowohl die Titelverwaltung, als auch die Funktionen zur Synchronisation der Titel mit dem zentralen Web-Speicher untergebracht sind. Beim Synchronisieren werden nicht nur die Titel-Inhalte, sondern auch Leseverlauf, Markierungen und Notizen im Titel zwischen den verwendeten Geräten übertragen.


Die Kindle-App

Die Play Books-App


Während über Play Books ausschließlich Inhalte verfügbar sind, die bei Google gekauft wurden, ist es bei Amazon über einen Mail-Service möglich, auch eigene Dokumente in die Kindle-Bibliothek zu integrieren. So können z.B. DRM-freie eBooks nach Konvertierung ins Mobipocket-Format an den Cloud-Speicher des eigenen Accounts geschickt werden.

Darstellung

Beide Apps nutzen Hochformat- und Querformat-Modus der Geräte sinnvoll aus, innerhalb eines klar aufgebauten Anwendungsrahmens werden auch eBook-Dateien mit differenzierten Textformatierungen korrekt und weitgehend standard-konform dargestellt. Ein Kopfzeile beinhaltet die Angabe von Autor und Titel, in der Fusszeile der Anwendung sind die Scroll-Bars für die Navigation im Titel untergebracht. Die Migration der Amazon-Anwendung auf die KF8-Generation hat der Visualisierung des Content hier sichtlich gutgetan, auch wenn einzelne EPUB-Features wie eingebettete Schriftarten noch ignoriert werden. Die Möglichkeit zur Farbdarstellung hochaufgelöster Bilddateien ist natürlich optisch gegenüber den eInk-Readern deutlich ansprechender. Zwischen den beiden Readern sind die Unterschiede in der Text-Darstellung für den normalen Nutzer wohl kaum noch feststellbar, auch wenn Verlage und Content-Anbietern in den Details einige Stellen finden dürften, wo man sich eine einheitlichere Darstellung wünschen würde.


Textdarstellung in der Kindle-App

Textdarstellung in der Play Books-App


Einstellungen in der Kindle-App

Auch die Einstellungsmöglichkeiten für die Darstellung der Texte sind einander sehr ähnlich: Textgröße, Tag-, Nacht- und Sepia-Themes und Helligkeits-Regler wie in der Kingle-App sind hier inzwischen zum Standard für eBook-Reader geworden. Die Play Books-App bietet hier ein paar mehr Optionen, insbesondere für eigene Schriftart-Einstellungen und Zeilenhöhe, hat dafür aber nur zwei Themes. Die Unterschiede halten sich also in Grenzen, zumal die entsprechenden Funktionen merkbar nach dem Vorbild von iBooks implementiert wurden.

 

Text-Optionen in Play Books

Besonderheit in der Google App: Sind in einem Titel sowohl EPUB-Daten als auch gescannte Originalseiten aus dem Google-Bibliotheks-Projekt vorhanden, können in der App beide dargestellt werden – vor allem in historischen Titeln ein lustige Option. Sind in den eBook-Daten Schriftarten-Einstellungen vorgegeben, werden diese mit der Option „Buch-Standard“ auch verwendet, und können dann mit einem der anderen verfügbaren Fonts überschrieben werden, falls der Nutzer dies möchte.


Navigation

Neben der Navigation über Tappen am Display-Rand und die Scrollbar (bei Play Books auch mit Anzeige des jeweiligen Kapitels während des Scrollens) werden die eBook-Inhalte über die Inhaltsübersichten sowie über die Suche erschlossen. Die Kindle-Anwendung stellt dazu traditionell einen Link auf eine (für den Content-Lieferanten verpflichtende zu erstellende) Inhaltsverzeichnis-Seite im Text zur Verfügung, während die Play Books-App tatsächlich den Table of Contents, d.h. die logische Struktur der EPUB-Datei, ausliest und darstellt. Allerdings werden hier auch mehrstufige Inhaltsübersichten stets nur in einer Ebene, d.h. „flachgedrückt“ visualisiert.


Navigation in der Kindle-App

TOC-Darstellung in Play Books


Beide Anwendungen bieten eine Volltext-Suche innerhalb des Titels an, die Trefferliste enthält dabei eine sinnvoll gewählte Anzeige des Suchwort-Umfeldes sowie eine Angabe der Position im Titel. Die Kindle-Plattform behilft sich mangels Seitenangaben mit einer internen Positionsangabe, die nur innerhalb der Amazon-Welt zur Verfügung steht. Google wählt hier wie Apple den Weg einer „Pseudo-Paginierung“ aufgrund der angezeigten Display-Seiten. In der Kindle-App ist ein Aufruf von Google- und Wikipedia-Suche nach dem Suchbegriff als Komfort-Funktione direkt in die Trefferliste integriert – unter Play Books ist dies etwas ungewohnt in den Kontext-Optionen bei Markierung eines Wortes im Text versteckt.


Such-Menü in der Kindle-App

Such-Menü in Play Books


In beiden Anwendungen werden Links auf Web-Inhalte in einem in die App integrierten WebView-Layer geöffnet – ein großer Vorteil gegenüber iBooks, wo durch den Wechsel in den Safari-Browser stets ein Medienbruch stattfindet.

Markierungen und Notizen

Kontext-Menü in der Kindle-App

Weitere Funktionen zum Anbringen nutzerspezifischer Markierungen und Notizen sind in Kontext-Menüs untergebracht, die sich zeigen, wenn ein Wort per Touch-Geste markiert wird. Die Kindle-App bietet hier lediglich eine Markierungsfarbe an, kann dafür aber auch Markierungen anderer Benutzer mit anzeigen, wenn dies gewünscht ist (auch mit Suche nach den „meist markierten Stellen im Titel“) und gibt dem Anwender die Möglichkeit, Textausschnitte an Facebook und Twitter weiter zu schicken. Für Begriffs-Definitionen markierter einzelner Worte können Wörterbücher in die Anwendung geladen werden, auch hier stehen Google- und Wikipedia-Suche nach dem Begriff nochmals zur Verfügung.

Kontext-Menü in Play Books

In der Play Books-App stehen mehrere Markierungsfarben zur Verfügung, dafür gibt es keine Möglichkeit zur Weitergabe markierter Texte an andere Anwendungen. Bei den Funktionen zeigt sich die tiefe Integration mit anderen Google-Produkten: Für Begriffs-Definitionen wird schlicht die Suchmaschine aufgerufen, die hier allerdings aufgrund des zusätzlichen Suchwortes „define“ verblüffend gute Ergebnisse bringt. Statt eines Wörterbuchs ist Google Translate hinterlegt – dies mit dem großen Vorteil, dass ohne Download nahezu alle Sprachen der Welt verfügbar sind.

Verfügbarkeit der Anwendungen

Beide Anbieter stellen Ihre Apps und Desktop-Anwendungen für eine ganze Reihe von Systemplattformen zur Verfügung: Die Kindle-Anwendung steht für Windows und Mac Desktop sowie für iOS und Android in jeweils für Tablet und Smartphone angepaßten Varianten zur Verfügung. Google deckt ebenfalls Android (natürlich) sowie iOS ab und stellt Desktop-Nutzern seinen Browser-basierten Reader zur Verfügung. Die HTML5-Anwendung hat dazu den Vorteil, dass sie in jedem System mit einem Web-Browser nutzbar ist – der Google-Kunde kann also auch unter iOS oder dem demnächst verfügbaren Windows 8 direkt auf Konto und Inhalte zugreifen. Daneben stellt Google eine Schnittstelle für die Verwaltungssoftware der Sony Reader-Familie sowie für den Nook von Barnes & Noble zur Verfügung – ein kluger Schachzug zur Einbindung von Kunden mit eInk-Readern.

Fazit

Ein klares Urteil der beiden Apps im direkte Vergleich fällt schwer – die Anwendungen gleichen sich fast so sehr, als wären so von denselben Entwickler-Teams mit leicht unterschiedlichen Vorgaben programmiert worden. Beide realisieren ein breites Spektrum von Funktionen für die sinnvolle Nutzung von eBooks mit den möglichen Vorteilen des Mediums. Dabei sind die Unterschiede im Detail so gering, dass hier keine der Anwendungen klar die Nase vorne hat – im Grunde ist Wahl für den Kunden fast zur reinen Geschmacksfrage geworden. Interessant ist aber vor allem die deutliche Nähe der Implementierungen zur bisherigen Referenz-Anwendung iBooks – sowohl die Google- als auch die Kindle-App realisieren mittlerweise quasi denselben Komfort in Darstellung und Funktionen, so dass alle drei Anwendungen untereinander aus Kundensicht kaum noch nennenswerte Vor- oder Nachteile auf dieser Ebene besitzen dürften.

Im Unterschied zur Apple-Plattform setzen jedoch Google und Amazon auf eine enge Integration der App mit ihren Cloud-Speichern und Web-Anwendungen. Zusammen mit der Multi-Plattform-Strategie für das App-Angebot bringen sie so Apple und iBooks in die isolierte Situation des einzigen Anbieters, der Inhalte und Anwendung in der abgeschlossenen Welt der iOS-Plattform hält. Amazon und Google untereinander bieten dagegen eine ähnlich breite Abdeckung der gängigen Desktop- und Mobil-Plattformen, so dass die Markt-Differenzierung der beiden hier über die breite Verfügbarkeit von Titeln sowie über die Preisstruktur stattfinden wird. Für Apple jedoch ist der einstige Vorsprung als Ökosystem-Anbieter im eBook-Bereich deutlich geschrumpft, wenn Kindle-App, Play Books-App und iBooks so gleichwertig auf dem Homescreen des iOS-Nutzers liegen.


Quelle/Copyright der verwendeten Screenshots: Google / Amazon
 
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