Schöne neue Geräte-Welt – Segen oder Fluch für Verlage?

Smartphones von Amazon, Facebook-Kameras, Mini-Tablets von Apple – in der Welt der mobilen Endgeräte und Anwendungen überschlagen sich in diesem Sommer die Meldungen, Gerüchte und Ankündigungen über die nächste Generation von Hardware, Software und Diensten der großen Ökosysteme, die im Laufe des Jahres auf den Markt kommen soll. Was hat sich getan in den letzten Wochen und was heißt das für Content-Anbieter aus dem Verlagsbereich?

Google

Google Nexus 7, Quelle/Copyright: Google

Die Neuerungen des Jahres bei Google wurden bereits Ende Juni auf der Entwicklerkonferenz Google I/O vorgestellt – das von Asus gefertigte Nexus 7 als erstes eigenes Tablet ist die größte Neuerung für den Geräte-Markt. Von Preis und Leistungsmerkmalen her wird hier ganz deutlich Konkurrenz für den Kindle Fire aufgebaut. Setzt sich das in den ersten Tests durchaus gelobte, mit etwa 200$ sehr günstige Tablet auf dem Markt so durch, wie es die ersten Verkaufszahlen erwarten lassen, entsteht hier im Zusammenspiel mit dem Play Store und dem darin enthaltenen eBook- und Zeitschriften-Angebot ein für Apple und Amazon durchaus gefährliches Angebot. Gleichzeitig ist zu erwarten, dass sich mit dem Nexus und dem Fire die 7-Zoll-Displays endgültig zur zweiten Device-Klasse neben den 10-Zoll-Geräten im Tablet-Markt entwickeln und dass das Nexus die treibende Kraft für die jüngste Android-Generation wird. Gut für den Kunden, schlecht für den Anbieter von Fixed-Layout-Content.

Nexus Q, Quelle/Copyright: Google

Mit dem Nexus Q wird ein neues Streaming-Device vorgestellt, das ähnlich wie Apple TV Inhalte aus dem Google-Ökosystem zwischen Android-Tablets/Smartphones, Fernsehern und Boxen übertragen soll: Ein Gerät in Matrix-mäßigem, futuristischen Design, das allerdings aufgrund allzu großer Beschränkungen in Funktionsumfang und Bedienung von Google zunächst zur Überarbeitung zurückgezogen wurde.

Dabei ist die Idee charmant: Könnte man alle Inhalte aus Google Play (also Musik, Videos, TV-Serien, Youtube-Inhalte, eBooks – in Zukunft womöglich sogar Apps) mit einem Gerät auf jedes Display streamen, stünde dem geneigten Kunden die freie Auswahl seines Endgerätes zur Verfügung – vom Fernseher bis zum Smartphone.

Das auf der I/O vorgestellte Android-Update 4.1 Jelly Bean dient hauptsächlich der Produktpflege: Spürbare Performance-Verbesserungen für „butterweiche“ Bedienung und ein neuer Suchdienst namens Google Now sind neben vielen Details die Hauptinhalte der neuen Version. Mit dieser nach Apples‘ Siri schielenden, sprachgesteuerten Eingabe-App wird ein Assistent integriert, der aufgrund von Suchverhalten und Nutzerdaten wie Kontakten/Terminen vorauszusagen versucht, was der Kunde als nächstes an Informationen benötigen könnte. Ganz vorne dran, oder eher unheimlich – bei den Google-Angeboten weiß man es oft nicht so genau.

Amazon

Noch spielt er bei uns in Europa keine Rolle – der Kindle Fire, der sich in den USA mittlerweile zum Verkaufshit unter den Android-Tablets entwickelt hat. Und doch ist auch hier bereits die nächste Generation unterwegs: Die Analysten vermuten als Nachfolger eine Palette von mindestens drei verschiedenen Gerätevarianten, die sich in Display-Größe, Kamera und Mobilanbindung unterscheiden. Auch bei Amazon wird das Sortiment also größer, zumal mit der Ankündigung des eigenen App-Store für Europa zu hoffen ist, dass der Fire auch den Sprung über den Atlantik schafft – ohne passende Hardware wäre ein App-Angebot in diesem – bereits heftig kritisierten, aber dennoch populären und von Amazon quasi „kuratierten“ Best-of-Android-Store wenig sinnvoll. Ebenfalls aus der Feder der Technologie-Analysten kommt parallel dazu die durchaus berechtigte Vermutung über ein Smartphone von Amazon – da kann man nur zustimmen, Android-Erfahrung hätte das Unternehmen genug, als Content-Hub würde es sich genauso eignen wie der Fire, und die Möglichkeit der enormen Hardware-Subventionierung würde auch einem Smartphone im Markt gut tun. Dies alles zusammengenommen, könnte Amazon die Konkurrenz mit Apple auf dem Mobiltelefon-Sektor noch einmal ordentlich anheizen.

Apple

Bei Apple sind die Neuigkeiten des Jahres bisher weniger spektakulär: Mit den neuen MacBooks, mit dem vom iPad gewohnten Retina-Display und schnellen SSD-Laufwerken ausgestattet, betreibt man Produktpflege in der Familie der Notebooks, die zusammen mit dem neuen Mac OS X 10.8 jedem Apple-Liebhaber gelegen kommen dürfte. Daneben kocht auch hier die Gerüchte-Küche zu den Geräte-Releases: Obwohl noch von Steve Jobs dementiert, ist das Mini-iPad aus der 7-Zoll-Klasse wohl mittlerweile nahezu als sicher anzusehen. Neben dem iPhone 5, das ebenfalls in diesem Herbst auf den Markt kommen soll, wäre dies der erste wirklich neue Gerätetyp seit der Vorstellung des ersten iPad. In die Gesamtentwicklung des Mobilgeräte-Marktes würde es gut passen – in direkter Konkurrenz zum Nexus 7 und dem Kindle Fire, da gerade alle großen Anbieter ihre Geräte-Angebote zu arrondieren scheinen. Und Apple hat gerade in diesem Bereich viel zu verlieren, denn bisher haben Google und Amazon kaum an der Dominanz im Tablet-Bereich kratzen können. Produktpflege für einzelne Plattformen alleine wird dies jedoch kaum bewirken.

Microsoft

Nach langer Zeit macht es einmal wieder Sinn, bei den Online-Ökosystemen ein paar Sätze über Microsoft zu verlieren: Windows Phone 7 fand in Europa bisher so gut wie nicht statt, insbesondere in der App-Vermarktung konnte hier trotz des von Entwicklern gelobten Betriebssystems hauptsächlich eine Menge Geld verbrannt werden. Die strategische Partnerschaft mit Nokia scheint bisher wenig gefruchtet zu haben – die Nokia-Windows-Smartphones liegen wie Blei im Laden und bringen den finnischen Mobil-Konzern zunehmend in Schwierigkeiten. Um hier gegen zu steuern, will Microsoft nun mit einem eigenen Tablet auf den Markt kommen, das im Oktober des Jahres parallel mit Windows 8 erscheinen soll.

Microsoft Surface, Quelle/Copyright: Microsoft

Das Surface wartet mit seiner ins Cover integrierten Tastatur zumindest mit einer echten Hardware-Innovation auf, die zusammen mit der runderneuerten, für Mobil- und Desktop-Plattformen integrierten Windows-Version zum Verkaufsargument beim Einstieg in den Tablet-Markt werden soll. Auch die anderen Hardware-Merkmale lassen das Gerät auf den ersten Blick durchaus nach einem veritablen iPad-Konkurrenten in der 10-Zoll-Klasse aussehen. Ob aber bei diesem späten Eintritt in den umkämpften Markt tatsächlich noch Platz für einen weiteren Anbieter ist, der zudem nur Hardware und Betriebssystem, aber kein komplettes Ökosystem mit eingeführtem Marktplatz für Content und Apps zu bieten hat – das ist sehr fraglich.

Chancen und Herausforderungen

Alle Anbieter verbreitern in diesem Jahr also ihr Hardware-Angebot und versuchen mit neuen Gerätetypen, Dienst-Integration oder neuen Content-Angeboten möglichst alle denkbaren Bereiche des mobilen Daseins abzudecken. Was bedeutet diese Marktentwicklung für Content-Anbieter im Verlagsbereich?

Eine bunte Vielfalt unterschiedlicher Gerätetypen etabliert sich dauerhaft im Markt: Vom Mini-Smartphone mit 4-Zoll-Display und den größeren Smartphone-Modellen über 7-Zoll- und 10-Zoll-Tablets, von Notebook-Displays bis hin zu Desktop-Widescreen-Monitoren und Fernsehern wird die Palette von Anzeigemedien gehen, auf der auch Verlags-Content konsumiert wird. Die unterschiedlichen Größen, Ausrichtungen, Display-Proportionen und Nutzungsgewohnheiten werden es erfordern, auch für ehemals gedruckten Content Techniken wie adaptive Layouts aus dem Webdesign zu übernehmen, um den Anzeigemedien gerecht zu werden. Der im eBook-Bereich noch gerne verwendete Ansatz der „Fixed Layouts“ per CSS dürfte schnell ineffizient werden, wenn einmal mehr als ein halbes Dutzend fixe Layouts pro Produkt zu erstellen sind. Die Gestalter werden sich mehr und mehr daran gewöhnen müssen, mit entsprechenden Mengen an Seiten-Templates, Layout-Varianten und Besonderheiten in der Darstellung zu jonglieren.

Je mehr Gerätetypen aber im Markt sind, umso höher werden auch die potenziellen Verkaufschancen, den Content wird in jeder Lebenssituation verfügbar – der Kunde trägt seinen Point of Sale immer mit sich herum. Oder ist zumindest nie weit entfernt von ihm. An dieser Stelle das passende, unwiderstehliche Angebot zu machen, ist die Chance der Verlage. Aber die Ansprüche an Content und seine Aufbereitung werden auch wachsen: Wer in jeder Lebenssituation kaufen kann, will das Wissens- und Unterhaltungs-Angebot auch so gestaltet haben, dass dem situativen Bedarf entspricht.

Die Gestaltungsfähigkeit für das gedruckte Medium ist die zentrale Kompetenz der Verlage – diese müssen sie nun ausbauen und in viele verschiedene Medien transformieren, wollen sie auf dem Mobilmarkt bestehen. Dazu kommt der Kundenzugang, der nun verbreitert werden kann, kombiniert mit über lange Zeit erworbenem Wissen über die Informationsbedürfnisse der Kunden. Die Verarbeitung der Content-Daten, die Zusammenstellung nach Medienform und die Aggregierung zu Mehrwertdiensten sollten die Verlage dabei aber rechtzeitig in die Hand nehmen – oder sie laufen Gefahr, in die Rolle reiner Datenlieferanten für die großen Ökosysteme degradiert zu werden.

Für tiefergehende Lektüre stehen hier drei mit Artikeln der letzten Wochen aktualisierte Readlists zu den Ökosystemen von Apple, Amazon und Google zum Export in gängige eBook-Formate bereit. Zur Konzeption von Produkten für die Online-Plattformen findet in der Akademie des Deutschen Buchhandels am 10./11.09. nun zum zweiten Mal das Seminar „Enhanced E-Books und Apps − Planung, Umsetzung und Vermarktung“ statt, das Wege zur erfolgreichen Marktstrategie für Verlagsanbieter aufzeigt.

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